Die Annäherung an die Normalität
Zahl der Firmeninsolvenzen befindet sich wieder auf Vorkrisenniveau aus dem Jahr 2019. Gegenüber 2022 Steigerung um 22 Prozent. EU erörtert Harmonisierung des Insolvenzrechts zur Stärkung der Gläubiger.
(red/cc) Laut aktueller Hochrechnung des Kreditschutzverbandes KSV 1870 sind im ersten Quartal des heurigen Jahres 1.279 heimische Unternehmen von einer Insolvenz betroffen. Das entspricht einem Plus von 22 Prozent gegenüber 2022 und einem Plus von einem/1 Prozent gegenüber dem Vorcoronajahr 2019. Den größten Zuwachs verzeichnet Wien mit plus 40 Prozent, die größte Abnahme Vorarlberg mit minus 13 Prozent.
Die bislang größte Firmenpleite betrifft die Pharmazeutische Fabrik Montavit mit Passiva von 45 Mio. Euro. Insgesamt haben sich die vorläufigen Passiva um 2,5 Prozent auf 286 Mio. Euro erhöht. Die Zahl der betroffenen Mitarbeiter ist auf 4.200 Personen (+ 45 Prozent) und jene der betroffenen Gläubiger auf 7.600 Geschädigte (+ 43 Prozent) angewachsen. Die Experten vom KSV1870 rechnen bis Jahresende mit bis zu 5.500 Firmenpleiten.
Fristen und Umstände bis zum Insolvenzantrag
„Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Vorjahres haben sich zu Jahresbeginn fortgesetzt, weshalb der Trend vergangener Monate anhält. Es war daher nur eine Frage der Zeit, bis das Vorkrisenniveau erreicht wird“, erklärt Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz. Neben dem deutlichen Zuwachs (+ 35,5 Prozent) bei den Eröffnungen fällt auf, dass auch die Zahl der mangels Kostendeckung nichteröffneten Verfahren (+ 5 Prozent) gestiegen ist.
„Nachdem zu lange mit einem Insolvenzantrag gewartet wurde, müssen diese Unternehmen liquidiert werden. Für die Mitarbeiter bedeutet das den Verlust ihrer Jobs und die Gläubiger sehen keinen Cent“, so Götze. Aus Sicht des KSV1870 wäre es eine Option, zukünftig über die Eröffnung von aktuell nichteröffneten Fällen nachzudenken. Damit könnten verwertbare Assets gefunden werden, die zugunsten der Gläubiger ausgelegt werden könnten.
Bauwirtschaft, Handel, Tourismus und Gastronomie als Treiber
Wie im Vorjahr sind auch im ersten Quartal 2023 die Bauwirtschaft (274 Fälle) sowie Handel, inklusive Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen (217) und Tourismus/Gastronomie (181) jene Bereiche, in denen sich die meisten Insolvenzen ereignet haben. „Hohe Kosten und fehlendes Personal bilden jenen gefährlichen Mix, der für viele Betriebe über einen längeren Zeitraum nicht zu stemmen ist“, so Götze.
Dieser Schritt erfolgt häufig jedoch zu spät, auch bei den Nichteröffnungen mangels verwertbarer Masse ist der Handel (69 Fälle), die Bauwirtschaft (68) und der Bereich Tourismus/Gastronomie (59), neben dem Gesundheits- und Sozialwesen (89 Fälle), die Branche mit den meisten Fälle.
Richtlinie zur Harmonisierung des Insolvenzrechts
Die Europäische Union möchte den Weg zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Insolvenzrechtes ebnen und veröffentlichte dazu letzten Dezember einen Vorschlag. Mit dieser Richtlinie (RL) zu präventiven Restrukturierungsverfahren sollen die Mitgliedsstaaten nationales Recht schaffen, wo das materiellrechtliche, vorinsolvenzrechtliche Verfahren europaweit harmonisiert wird. Das Ziel lautet: Durch die angestrebten Verfahrensänderungen soll es gelingen, Geldrückflüsse für Gläubiger und Anleger zu erhöhen.
Die angedachte Harmonisierung hätte auch für das von Klein- und Mittelbetrieben geprägte Österreich bzw. dessen Insolvenzsystem weitreichende Folgen. Im Vorjahr wären etwa 92 Prozent (!) aller 4.775 Firmenpleiten Kleinstunternehmen betroffen gewesen. Diese etwaige Harmonisierung würde demnach das gesamte heimische Insolvenzsystem nicht nur auf den Kopf stellen, sondern zu einer massiven Verschlechterung führen, so der KSV1870.
KSV1870 sieht EU-Richtlinie für Harmonisierung äußerst kritisch
Das Ziel, Liquidationsverfahren von Kleinstunternehmen zu verbessern, kann aus unserer Sicht mithilfe dieser Richtlinie (Effizienzsteigerung von Insolvenzverfahren; Verkürzung der Verfahrensdauer; Kostensenkung der Abwicklung) nicht erreicht werden“, so der KSV1870 in einer Aussendung.
Und: „Der KSV1870 steht daher einer Harmonisierung des Insolvenzrechts innerhalb der EU auf Basis dieser Richtlinie äußerst kritisch gegenüber.“ Eine entsprechende Stellungnahme wurde sowohl an die zuständige EU-Kommission wie auch an die Österreichische Insolvenzrechts-Reformkommission übermittelt.