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19. April 2024

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Wichtiger Schritt gegen Erbkrankheit Neurofibromatose

Wichtiger Schritt gegen Erbkrankheit Neurofibromatose© Pexels.com/Artem Podrez

Forscher von Med Uni Innsbruck und Stockholm University entschlüsseln erstmals Molekularstruktur von Neurofibromin in hoher Auflösung. Projekt zeigt Notwendigkeit einer modernen cryoEM-Anlage auch am Standort Innsbruck.

(red/czaak) Bernhard Rupp, Strukturbiologe der Medizinischen Universität Innsbruck sowie Andreas Naschberger, Forscherkollege und weiteren Forschern von der Stockholm University ist es gelungen, erstmals die Molekularstruktur von Neurofibromin in hoher Auflösung zu entschlüsseln. Die Ergebnisse bringen die Erforschung der Erbkrankheit Neurofibromatose einen großen Schritt voran und wurden nun im international überaus renommierten Fachjournal Nature veröffentlicht.

Veränderungen im sogenannten Tumorsuppressor-Protein Neurofibromin sind ursächlich für die vererbbare monogenetische Erkrankung Neurofibromatose Typ 1. „Patienten, die an Neurofibromatose erkrankt sind, leiden an verschiedensten Symptomen, oft hervorgerufen von gutartigen oder bösartigen Tumoren der Haut und des Nervensystems und diese können schon im Kleinkindesalter auftreten“, erklärt Bernhard Rupp, Strukturbiologe am Institut für Genetische Epidemiologie an der Medizinischen Universität Innsbruck.

Strukturaufklärung mittels kryo-Elektronen Mikroskopie
„Mit einer Geburtenhäufigkeit von 1:3000 gehört Neurofibromatose zu einer der häufigsten Erbkrankheiten, und das Verständnis der molekularen Mechanismen dieser Erkrankung ist Voraussetzung für die Entwicklung von therapeutischen Ansätzen und Wirkstoffen“, so Rupp. Neurofibromin ist in bis zu zehn Prozent aller spontan auftretenden Tumoren mutiert und damit noch mehr in den Fokus der Krebsforschung gerückt. 
 
Für die Strukturaufklärung wurde die kryo-Elektronen Mikroskopie (cryoEM) genutzt und damit können Projektionen von Abbildungen einzelner makromolekularer Strukturen aufgenommen werden. Aus vielen dieser zweidimensionalen Projektionen kann die gesamte dreidimensionale Struktur rechnerisch rekonstruiert werden und das in Auflösungen bis hin zu atomaren Details. 
 
Therapeutische Angriffsfläche
Die aktuelle Publikation im prestigereichen wissenschaftlichen Fachjournal Nature zeigt eindrucksvoll, dass Neurofibromin zwei biologische Zustände einnehmen kann. In einer dieser Anordnungen ist Neurofibromin inaktiv, da seine katalytische Domäne durch seine eigene zentrale Kerndomäne sterisch inhibiert ist und das kann zu unkontrolliertem Zellwachstum und Krebs führen. 
 
„In der aktiven Form von Neurofibromin kann die katalytische Domäne durch eine massive Konformationsänderung RAS binden, und RAS kann daher reguliert werden. Das Ergebnis zeigt, dass auch Neurofibromin einen inaktiven und aktiven Zustand besitzt", erklärt Andreas Naschberger, der das Projekt als Postdoktorand in Innsbruck zusammen mit Rupp konzipiert und das Protein hergestellt hat. Die Struktur erklärt zudem, warum eine Vielzahl krankmachender Mutationen auch außerhalb der katalytischen Domäne auftritt. 
 
Revolutionäre Technik
„Es ist erstaunlich, wie sich die Strukturbiologie und damit die gesamte biomedizinische Forschung durch cryoEM verändert. Daten können über Nacht aufgenommen und rasch prozessiert werden“, betont Rupp. „Die Anschaffung einer leistungsfähigen biomolekularen cryoEM-Anlage wäre auch am Forschungsstandort Innsbruck sinnvoll“, so Rupp.

Denn erst nach Naschbergers Übersiedelung nach Schweden konnten die Arbeiten mit Rozbeh Baradaran und Marta Carroni an der eigentlichen Strukturbestimmung in der cryoEM-Abteilung abgeschlossen werden. Naschberger und Rupp haben anschließend die Struktur von Neurofibromin verfeinert und öffentlich zugänglich gemacht.

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red/czaak, Economy Ausgabe Webartikel, 02.11.2021