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20. April 2024

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Weltweiter Bankraub

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Cybergang „Carbanak“ stiehlt eine Milliarde US-Dollar von 100 Finanzinstituten.

Kaspersky Lab, INTERPOL, Europol und Institutionen verschiedener Länder haben gemeinsam die Geschichte eines beispiellosen Cyber-Bankraubs aufgedeckt. Innerhalb von zwei Jahren wurde dabei weltweit bis zu einer Milliarde US-Dollar von Finanzinstituten gestohlen. Institute aus Deutschland und der Schweiz sind auch davon betroffen. Laut den Experten ist eine internationale Gang von
Cyberkriminellen aus Russland, der Ukraine, Teilen Europas sowie China
für den Raubzug verantwortlich.

Neue Entwicklung
Die so genannte „Carbanak“-Gang nutzte für die Cyberüberfälle Techniken aus dem Arsenal zielgerichteter Attacken. Der Vorgang markiert den Beginn einer neuen Phase in der Entwicklung der Cyberkriminalität, in der Geld direkt von Banken, anstatt von Heimanwendern gestohlen wird. Seit dem Jahr 2013 haben die Kriminellen Angriffe auf bis zu 100 Banken, E-Payment-Systeme und andere Finanzinstitute in rund 30 Ländern gestartet.
Die Attacken sind noch aktiv. Entsprechend den Informationen von Kaspersky Lab liegen die Carbanak-Ziele in Deutschland und in der Schweiz sowie in Russland, den USA, China, Ukraine, Kanada, Hong Kong, Taiwan, Rumänien, Frankreich, Spanien, Norwegen, Indien, Großbritannien, Polen, Pakistan, Nepal, Marokko, Island, Irland, Tschechien, Brasilien, Bulgarien und Australien.
Es ist davon auszugehen, dass die größten Summen durch das Hacken von Banken erbeutet wurden – bis zu zehn Millionen US-Dollar pro Überfall.
Im Durchschnitt dauerte jeder Banküberfall zwischen zwei und vier Monate an, von der Infizierung des ersten Computers im Unternehmensnetzwerk der Bank bis zum eigentlichen Diebstahl.

Kontrolle über Überwachungskameras und Geldtransfersysteme
Anfangs haben sich die Cyberkriminellen über gezielte Spear-Phishing-Attacken Zugang zu einem Angestellten-Computer verschafft und diesen mit dem Carbanak-Schadprogramm infiziert. Anschließend waren sie in der Lage, sich im internen Netzwerk zu bewegen, um die für die Videoüberwachung zuständigen Computer der Administratoren aufzuspüren und zu übernehmen.
Die Folge war, dass die Angreifer nun alles, was sich auf den Bildschirmen der für die Betreuung der Geldtransfersysteme verantwortlichen Mitarbeiter abspielte, einsehen und aufnehmen konnten. Damit kannten sie jedes einzelne Detail über die Arbeit der Angestellten und konnten die Aktivitäten der Angestellten imitieren, um Geld zu überweisen oder bar auszuzahlen.

Der Diebstahl des Geldes
Die Carbanak-Gang nutzte mehrere Methoden, um die Banken auszurauben: Sobald die Betrüger aus ihren Aktivitäten Kapital schlagen wollten, nutzen sie Online-Banking-oder internationale E-Payment-Systeme, um Geld von den Konten der Bank auf die eigenen Konten zu überweisen. Zum Teil wurde das gestohlene Geld auch bei Banken in China oder Amerika hinterlegt. Die Experten schließen nicht aus, dass weitere Banken und Länder ebenfalls als Empfänger genutzt wurden.
In anderen Fällen sind die Cyberkriminellen direkt in das Herz der Buchhaltungssysteme eingedrungen, um Kontensaldi zu erhöhen und im Anschluss die überschüssigen Geldmittel durch eine Überweisung zu entwenden. Ein Beispiel: Liegen auf einem Bankkonto 1.000 US-Dollar, erhöhen. Zudem hatten die Cyberräuber Kontrolle über die Geldautomaten der Banken und konnten diese anweisen, Bargeld zu einer vorbestimmten Zeit auszuzahlen. Zum Zeitpunkt der Auszahlung wartete ein Handlanger am betroffenen Geldautomaten und kassierte die Auszahlung ein.

Egal welche Software
„Das Überraschende an diesen Banküberfällen war, dass es den Kriminellen egal war, welche Software die Bank nutzte. Daher sollten Banken sich nicht in Sicherheit wiegen, selbst wenn sie eine einzigartige Software verwenden. Die Angreifer mussten nicht einmal die Services der Bank hacken. Sobald sie ein Netzwerk geentert hatten, lernten sie, ihr gefährliches Komplott hinter legitimen Aktionen zu verstecken. Alles in allem ein sehr geschickter und professioneller Cyberraub“, so Sergey Golovanov vom Global Research und Analysis Team von Kaspersky Lab. „Diese Attacken unterstreichen wiederum, dass Kriminelle jede Schwachstelle in jedem System ausnutzen werden. Klar wird zudem: Es gibt keine Branche, die immun gegen Attacken ist. Sicherheitsabläufe müssen ständig überprüft werden. Das Identifizieren von neuen Trends im Bereich Cyberkriminalität ist ein Schlüsselbereich, in dem INTERPOL mit Kaspersky Lab zusammenarbeitet, um sowohl den öffentlichen als auch den privaten Sektor beim Schutz vor aufkommenden Gefahren besser helfen zu können“, sagt Sanjay Virmani vom INTERPOL Digital Crime Centre. Kaspersky Lab rät allen Finanzorganisationen dazu, ihre Netzwerke sorgfältig nach einer Präsenz von Carbanak zu prüfen. Bei einem Fund sollten umgehend die Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet werden.

Links

red/cc, Economy Ausgabe 999999, 18.02.2015