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23. April 2024

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SUV statt Klimahysterie

SUV statt KlimahysterieEPA

Die Angst vor der Erderwärmung tut dem Trend zum spritfressenden Allrad-Stadtauto keinen Abbruch. Dekadent? Irrational? Mitnichten! Denn Unwetter werden zunehmen. Und mit einem höher gestellten Boliden lassen sich Überschwemmungen zwischen Stadtzentrum und Randbezirk einfach leichter bewältigen.

Die Klimahysterie treibt seltsame Blüten. In den vergangenen Jahren ließen Vandalen in Deutschland und Frankreich bei Geländewagen und Sport Utility Vehicles (SUV) die Luft raus. Die Ökoterroristen skandierten, der hohe Spritverbrauch der SUV trage zum Klimawandel bei. Das erinnert an die Pelzjacken-Attacken von radikalen Tierschützern. Das Muster ist dasselbe: Selbst ernannte Moralapostel verüben einen Anschlag auf die Freiheit der Konsumenten – die Freiheit zu kaufen, was vom Fließband rollt oder an der Stange hängt.
Die „Luftablassser“, wie sie in Frankreich genannt werden, sollten sich ein Beispiel am obersten Klimaschützer Europas nehmen: EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Der wurde gerade wiedergewählt, obwohl er ein bekennender SUV-Fahrer ist. Die Zweifel an seiner Doppelrolle als Allradfan und Klima­stratege hatte er schon bei seiner letzten Wahl ausgeräumt. Sinngemäß meinte er: „Ich bin das beste Beispiel, dass ökologisches Gewissen und die Freiheit des Konsumenten vereinbar sind.“ Und der Mann hat immerhin federführend initiiert, dass ganz Europa bis 2020 die Treibhausgase um 20 Prozent verringern muss.
Wenn Barroso konsequent ist, fährt er im Dezember mit seinem SUV direkt von Brüssel zum Weltklimagipfel in Kopenhagen, holt seine Klima-Akten aus dem geräumigen Kofferraum und übergibt sie den dort versammelten Staatschefs aus aller Welt. So viel Freiheit muss sein.
Die Österreicher jedenfalls nutzen ihre Konsumfreiheit, der SUV-Boom ist ungebrochen. In den ersten sieben Monaten lag die Zahl der neu zugelassenen SUV mit 19.100 um 2300 Fahrzeuge über dem Vergleichszeitraum 2008. Weniger Lust hatten die Konsumenten auf Autos mit Erdgas-Hybrid oder Elektroantrieb. Davon wurden ganze 900 zugelassen. Aber das nur am Rande.

Die Angepassten
Barrosos SUV-Strategie passt auch zum neuen Slogan der EU: „Climate Change – Act and Adapt“. Den ganzen Sommer hindurch zierte dieser Spruch das Gebäude der EU-Kommission in Brüssel. Ging es früher nur um das Handeln gegen die Erd­erwärmung, hat sich in der EU-Zentrale die Meinung durchgesetzt, der Klimawandel sei nicht mehr zu stoppen. Also muss man sich anpassen. Für SUV-Fahrer ein weiterer Grund, zu ihrem Boliden zu stehen und ihn gegen verbale Luftablasser zu verteidigen. Wer schon einmal mit einem normalen Pkw durch ein plötzlich auftretendes Aquaplaning gefahren ist, wünscht sich beim nächsten Mal einen höher gestellten Allradler. Und das nächste Mal kommt bestimmt. In Folge der Erderwärmung sind monsunartige Regengüsse auch bei uns längst keine Ausnahme mehr. Man könnte meinen, die meist städtische SUV-Gemeinde hat den Zwang, sich anzupassen, vorausgeahnt. Denn der hohe Spritverbrauch und die enttäuschende Geländegängigkeit der Fahrzeuge waren nicht gerade schlagende Argumente für die Allrad-Autos, als der Boom 2005 begann.
Den Spritverbrauch hat sich das deutsche Umweltbundesamt näher angesehen. In einer Studie heißt es: „Im Vergleich zu durchschnittlichen Pkw beträgt der Mehrverbrauch der Diesel-SUV je nach Testzyklus zwischen plus 35 Prozent und plus 75 Prozent.“ Auf der Autobahn vergleichen die Studienautoren den SUV gar mit einem Sattelschlepper: „Speziell bei hohen Geschwindigkeiten – über 130 Kilometer pro Stunde – werden bei allen Diesel-SUV hohe Stickoxid-Emissionen gemessen, die auf oder über dem Niveau moderner Sattelfahrzeuge lagen.“ Die vom Umweltbundesamt gehen überhaupt hart ins Gericht mit den Boliden: So hätte der SUV-Boom die Effizienzsteigerung bei Motoren „aufgefressen“. Das heißt, der Spritverbrauch der heimischen Fahrzeugflotte hätte wegen modernerer Motoren zurückgehen müssen, wegen der hohen Nachfrage nach SUV ist er aber gleich geblieben.
Für den Offroad-Bereich sind Allrad-Stadtautos nicht wirklich geeignet, weil sie breite Straßenreifen haben. Im Gelände würden dünne Geländereifen, wie sie echte Geländewagen wie Land Rover haben, besser greifen, erklärt Günther Lichtblau vom Umweltbundesamt.

Sicherheit und Vertrauen
Gut, das spricht jetzt alles nicht für den SUV, aber das Schöne am Kaufen ist doch, dass es kein hundertprozentig rationaler Vorgang ist. Die Psychologie führt Regie. Marktforscher haben festgestellt, dass sich Männer in einem SUV einfach dominanter und männlicher fühlen. Im Hochsitz eines Porsche Cayenne wird der schmächtigste Manager zum animalischen Trucker. Und was macht die Frauen so scharf auf den SUV? Immer öfters werden die schweren Boliden von zarten Frauenhänden gelenkt. Sie fühlen sich laut Marktforschern „sicherer“. SUV wird deshalb auch gern als Akronym für „Sicherheit und Vertrauen“ interpretiert. Die „SUV-Blondeln“, wie sie ein Mitglied der economy-Redaktion leicht grantig nannte, die große Supermarktparkplätze in Stauzonen verwandeln, sind doch längst nicht mehr repräsentativ für die weibliche SUV-Community. Und da gibt es noch das Argument der Pensionisten: Die können einfach besser einsteigen – der SUV als Kreuzschoner.
Abschließend halten wir fest: Der Kunde ist der König, die Nachfrage bestimmt das Angebot, ein Produkt muss Freude, Stärke und Sicherheit vermitteln. Deswegen geht der SUV-Boom weiter und zieht sich mittlerweile quer durch alle Fahrzeugklassen. Sollen die Amis auf kleinere Autos umsteigen, Österreich rüstet auf, fürs nächste Hochwasser. Der Klimawandel kann kommen.

Clemens Neuhold, Economy Ausgabe 78-11-2009, 20.11.2009