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27. April 2024

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Mit dem Scheckheft ins Himmelreich

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Einnehmenden Fernsehpredigern erschließt sich in den USA bisweilen ein millionenschweres Business. Fragwürdige Geschäftsmethoden stellen für viele von ihnen keinen Widerspruch zum Glauben dar.

Die Sache mit dem Privatjet ist einigen Anhängern doch im Hals stecken geblieben. Vor drei Jahren wandte sich Benny Hinn, exaltierter TV-Prediger, christlicher Charismatiker und vermeintlicher Wunderheiler, an seine Unterstützer, um 6000 von ihnen zu einer Spende von tausend Dollar zu bewegen.
Davor soll Hinn ein Consulting-Unternehmen beauftragt haben, das ideale Verkehrsmittel für ihn auszumachen. Weil die Berater befanden, dass ein Gulfstream-Jet der Serie IV (Kostenpunkt rund 35 Mio. Dollar) die ideale Wahl sei, bat Hinn seine Gemeinde für einen Teil der Anzahlung zur Kasse, nicht jedoch ohne eine Belohnung in Aussicht zu stellen.
Jeder Spender sollte ein Miniaturmodell des Flugzeugs und seinen Namen im Inneren von Dove One eingraviert bekommen. „Seid gewiss, dass sich für jene, die dem Herrn gehorchen, der Himmel weit öffnet“, fügte Hinn in dem Rundschreiben schließlich noch für die Unentschlossenen hinzu.

Lukratives Geschäft
Hunderttausende treibt es in den USA jedes Jahr zu den „Wunderkreuzfahrten“ Hinns: zumeist in Sportstadien veranstaltete Riesengottesdienste, allesamt mit dem fixen Programmpunkt einer Wunderheilung. Bei Veranstaltungen in Indien soll, so die Angaben seiner Kirche Benny Hinn Ministries, auch schon einmal eine Mio. Menschen gekommen sein. Hinn betreibt Missions- und Waisenhäuser, spendet für Tsunami- und Wirbelsturmopfer.
Den Anfang nahm die Karriere des in Israel geborenen Sohns griechischer Eltern, als er in den 1970er Jahren die Tochter eines Predigers in Florida heiratete und ins Familiengeschäft einstieg. Seine Fernsehsendung This Is Your Day! (Das ist dein Tag) wird heute in gut 200 Ländern ausgestrahlt. Interviews gibt Hinn selten. Für das Geld mache er seine Arbeit nicht, verriet Hinn zuletzt in einem Interview für den US-TV-Sender ABC. Sein Unternehmen, als Kirche eingestuft und daher steuerbefreit, soll Schätzungen zufolge jährlich rund 100 Mio. Dollar an Spenden einnehmen. „Wenn ich ein Betrüger wäre, würde ich ihnen (den Anhängern, Anm. d. Red.) auf jeden Fall das Geld zurückgeben“, gibt sich Hinn allzu simpel.
Seine Messen folgen einem strikten Muster. Mithilfe von Musik und repetitiven Losungen wird die Stimmung auf den Höhepunkt, die Wunderheilung, hingetrieben. Kurz davor beginnen Helfer mit der Verteilung von Kuverts für die Kollekte, und Hinn instruiert von der Bühne herunter die korrekte Verwendung von Kreditkarten: „Oben tragt eure Kartennummern ein. Vergesst nicht, unten zu unterschreiben.“

Heilungsspektakel
Die Fähigkeit zur Heilung Kranker behauptet Hinn über die Gabe der Salbung zu erhalten. In der charismatischen Christenbewegung wird darunter eine Art heilige Atmosphäre verstanden, die von einem Priester ausgehen soll, durch den der Heilige Geist wirkt. Wie das funktioniere, könne er nicht erklären, beteuert Hinn immer wieder. Er hätte seine Gabe überhaupt erst bemerkt, als ihm die Leute von den Wunderheilungen berichteten. Tatsächlich werden potenzielle Heilungskandidaten bei Hinns Veranstaltungen gezielt ausgesucht. Offensichtlich hoffnungslose Fälle wie etwa querschnittsgelähmte Rollstuhlfahrer haben kaum Chancen, auf die Bühne zu Hinn zu kommen, wo dieser oft wild gestikulierend seine Zeremonie betreibt. Dass die meisten Leute nach Hinns Berührung sogleich nach hinten kippen oder gar in einer Art Rückwärtssalto durch die Luft wirbeln, dürfte Wissenschaftlern zufolge einem religiösen Hochgefühl zuzuschreiben sein. Medizinische Nachweise über Heilungen stehen bis heute aus. Dass Hinn Tausende Verzweifelte, die bei den Veranstaltungen unter Tränen die Arme in die Luft strecken und auf Heilung hoffen, für ihre Chance bezahlen lässt, bringt ihm zwar scharfe Kritik ein. Der Begeisterung seiner Anhänger tut dies allerdings keinen Abbruch.
Hinns Mischung aus Showmaster-Starkult und aufwendigem Lebensstil rief in den USA etwa den republikanischen Senator Chuck Grassley auf den Plan, der untersuchte, ob Spenden von Hinn und fünf weiteren sogenannten Televangelisten zur persönlichen Bereicherung verwendet werden. Doch Hinn kooperierte willig mit Grassley, Ermittlungen brachten nichts Widerrechtliches zutage.

Wohlstand für die Seinen

Während in Europa Religionskanäle neben Teleshopping-Sendern unter ferner liefen rangieren, sind Fernsehprediger in den USA Teil eines riesigen Marktes. Als Erstem gelang dem katholischen Erzbischof Fulton Sheen Anfang der 1950er Jahre der Wechsel vom Radio ins Fernsehen. Als wichtigster Prediger des 20. Jahrhunderts gilt der charismatische Südstaatler Billy Graham, der den Höhepunkt seiner Karriere in den 1970er Jahren erreichte.
Zu den Großen von heute zählt unter anderem der Texaner Joel Osteen, Strahlemann und Pastor der Houstoner „Megachurch“ Lakewood Church. Der Unterschied zum strengen und schrifttreuen Graham könnte nicht größer sein. Osteen predigt eine Art christliche Wohlfühlreligion, die auf die Rechtschaffenheit im Menschen zielt und als Belohnung unter anderem finanziellen Erfolg in Aussicht stellt. „Gott will, dass du ein Gewinner bist, kein Jammerer“, so ein Motto Osteens. An die 40.000 Besucher kommen am Wochenende zu den Gottesdiensten nach Houston, im TV verfolgen Osteen jeden Monat bis zu 25 Mio. Zuseher. Dass er im Fernsehen nicht um Geld bittet, bedeutet nicht, dass seine Anhänger nicht großzügig spenden. Die wöchentliche Kollekte allein soll rund eine Mio. Dollar einbringen.

Economy Ausgabe 79-12-2009, 18.12.2009