Unabhängiges Magazin für Wirtschaft und Bildung

29. März 2024

Search form

Search form

Hawala: Die Effizienz der Schattenbanken

Hawala: Die Effizienz der Schattenbanken

Ein jahrhundertealtes Geldtransfersystem floriert und gedeiht trotz der Finanzkrise: Hawala. In derartigen Netzwerken fließt der globale Cash-Verkehr vorbei an allen Volkswirtschaften und Finanzämtern.

Keine Kontonummer. Keine Bankfiliale. Kein Erlagschein. Kein physischer Transfer. Ein internationales Netzwerk, das in der Hightech-Bankenwelt von heute keinerlei Spuren hinterlässt? Nichts leichter als das. Mit Hawala, dem jahrhundertealten Geldüberweisungssystem, wird es möglich. Im Guten wie im Schlechten. Hawala ist arabisch und bedeutet „Vertrauen“. Darauf basiert auch das gesamte System.
Und so funktioniert’s: Jemand, der Geld, sagen wir von Deutschland nach Pakistan, überweisen will, geht in Deutschland zu einem Hawala-Banker. Da Hawala dort semilegal ist, wird es auch kein offizieller Agent sein, sondern ein „Mittelsmann“, der meist eine Art Import-Export-Geschäft mit dem Zielland betreibt. Man weiß schon, wo man die Leute findet. Der Überweiser geht also zu dieser Person und händigt dieser den Betrag aus, den er transferieren will. Dafür erhält er einen handgeschriebenen Zettel mit einem Codewort oder einer Nummer.

Ohne Mittelsmänner geht nix
Diese Nummer gibt der Überweiser sogleich telefonisch an den Empfänger im Zielland weiter, und jener kann damit beim dortigen Mittelsmann den Betrag – abzüglich einer kleinen Provision – abholen. Fragen werden keine gestellt, und es wird auch kein Geld physisch transferiert. Die beiden Mittelsmänner, zum Beispiel Export-Import-Händler in den beiden Ländern, gleichen ihre Hawala-Transaktionen regelmäßig untereinander aus, mit gegenseitigen Warenlieferungen, Gegenverrechnungen, häufig auch mit Gold- und Juwelendeals.
Obwohl das System gewisse Parallelen zu Transferdiensten wie Western Union oder Moneygram hat, gibt es doch einen wesentlichen Unterschied: Die Identitäten der Geldsender- und empfänger bleiben unbekannt, sie spielen in dem Transfer auch keine Rolle. Auch fallen keine Bankgebühren oder Steuern an, wodurch der Transfer an sich bereits wesentlich vorteilhafter ist. In Zielländern mit starker Differenz zwischen offiziellem Wechselkurs und Schwarzmarktkurs zu Hartwährungen profitiert der Empfänger auch von für ihn wesentlich günstigeren Kursen, als die Banken sie anwenden würden.
Josef Mahr, Leiter der Geld- wäschemeldestelle im Innenministerium, zeigt sich wenig begeistert von diesem Mechanismus. Er sieht darin vor allem Möglichkeiten zur „Umgehung von Devisenkontrollen, Kapitalflucht, Steuer- und Zollhinterziehungen, Schmuggel, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung“ Tür und Tor geöffnet. „Bei Hawala gibt es überhaupt keine Papierspuren mehr. Die Idee, die dahintersteht, ist immer wieder die gleiche: Es sind Bevölkerungsgruppen, Ethnien, die einander ein sehr enges Vertrauen entgegenbringen, aber den Banken nicht trauen“, sagt Mahr. „Der Vorteil ist, dass dieses System sehr rasch und kostengünstig arbeitet.“
Mit den ethnischen Gruppen hat Mahr durchaus recht. Die Hauptnutzer von Hawala, Angehörige und Migranten aus dem Mittleren Osten, Afrika und China, verwenden das System großteils nur innerhalb ihrer eigenen Ethnie, um Vertrauensbrüche auszuschließen. Diese kommen aber ohnehin selten vor, denn der Ehrenkodex im Hawala-System will es, dass unehrliche Mittelsmänner innerhalb ihrer Gruppe geächtet werden und keine Aufträge mehr bekommen, was schwerwiegend ist.
Als eines der Zentren für den Hawala-Geldtransfer gilt Dubai, vorwiegend wegen der großen Zahl ausländischer Arbeitskräfte, die Geld nach Hause in Gegenden überweisen, in die kein Bankensystem reicht und die sich folglich eines Hawala-Mittelsmannes bedienen müssen.

Meldepflicht – ein Versuch
So hat die Zentralbank der Vereinigten Arabischen Emirate auch festgestellt, dass Hawala-Banking ein effektives System für viele, vor allem analphabetische Arbeiter, ist, Geld rasch und zu vorteilhaften Bedingungen nach Hause zu senden. Allerdings stellte die Zentralbank auch offen fest, dass Hawala ebenso für die zuvor genannten Zwecke missbraucht werden kann. Um dies einzudämmen, hat die Zentralbank eine Meldepflicht für Hawala-Transaktionen eingeführt, bei denen auf einem „einfachen Dokument“ die Identität von Sender und Empfänger und auf einem separaten Dokument im Anlassfall „verdächtige Transaktionen“ gemeldet werden sollen. Über die Effektivität dieses Meldesystems gibt es allerdings keine Statistiken.
In Wirklichkeit ist das Hawala-System nicht zu überwachen, da es zwar einfach anmutet, aber tatsächlich ziemlich komplex ist. Da ständig Transaktionen zwischen den „Schattenbanken“ erfolgen, müssen nur die Differenzen der Hawala-Überweisungen ausgeglichen werden. Der Geldausgleich erfolgt unter anderem über Bargeld oder Sachwerte, die dem Geschäftspartner durch Kuriere gebracht werden. Es werden fingierte Rechnungen oder überhöhte oder niedrigere Rechnungen über ein tatsächliches Exportgeschäft ausgestellt. In das geheime Hawala-Netz eingebunden sind Reisebüros, Juweliere, Lebensmittelläden, Imbissstuben, Altwarenhändler und andere Geschäfte.
Eines der meistverbreite­ten Hawala-Systeme in Asien ist das chinesische Fei Chein (Fliegendes Geld), dessen Bedeutung für die Millionen von Wanderarbeitern in China enorm ist, das aber auch für internationale Geldwäsche empfänglich ist, im Westen hauptsächlich mit China-Restaurants als Drehscheibe.
Das Hawala-System ist ein beachtlicher Wirtschaftsfaktor mit starken Finanzströmen. Jährlich dürften laut UN-Erhebungen zwischen 100 bis 300 Mrd. Dollar fließen, in Indien davon alleine zwischen zehn und 20 Mrd. und in Pakistan rund fünf Mrd.

Economy Ausgabe 78-11-2009, 20.11.2009