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29. März 2024

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Auf immer und ewig

Auf immer und ewigChristian Czaak

Pur, intensiv, leibhaftig, vollendet. The Rolling Stones, die unsterblichen göttlichen Hohepriester des Rock’n Roll haben Wien eine Audienz gewährt. Alterslose echte schöne Männer und großartige Musiker.

Welchem Mann nimmt man(n) auch mit 70 Lebensjahren die männliche Diva ab, gertenschlank wie 17, ganz in schwarz oder umhüllt von roter Federboa? Welcher Musiker tanzt und singt zwei Konzert-Stunden lang in alle Ecken und Mitten der riesigen Bühne und ist fitter als die Mehrheit seines überwiegend viel jüngeren Publikums? Welche Band kann zwei Stunden lang einen Welthit nach dem anderen spielen, dafür aus über 60 in Frage kommenden Songs wählen und mit ihrer Musik Millionen aus allen Alters- und Gesellschaftsschichten verzaubern?

Coole Pfaue und liebenswerte Zauberer
Also da sind: Sir Mick Jagger, Chef-Stone, schöner Oberpfau, unverändert stimmstarker Sänger, großartiger Musiker (Mundharmonika), supercooler Showman. Keith Richards, lebender Fels, oberster Gitarrenvirtuose und Riff-Künstler, wunderbarer Musiker und Songschreiber. Ron Wood, schwarzmähniger Spitzbub und Womanizer, zweitoberster Gitarrenzauberer und Riff-Künstler, wunderbarer Musiker. Charlie Watts, Sir Charles, liebenswert-schüchtener Pferdezüchter, oberster Schlagzeuger, wunderbarer Musiker.
Bei ihrem 14. Wien-Konzert stellen die Stones ihre Musik in den Mittelpunkt, die Bühnenshow dient primär zur Verstärkung von Text und Musikern. Riesige, über 100m2 große Screens auf beiden Seiten der Bühne verstärken in Echtzeit und in superguter Auflösung die dargebotenen Songs. Auch die Tonanlage ist Technik vom feinsten: laut, klar aber nicht erdrückend.

Meilensteine in Musikgeschichte

Los geht’s mit „Start Me Up“, dann von „You Got Me Rocking“ über „It’s Only Rock’n Roll“ und einem unplugged beginnenden Jagger-Solo zu „Angie“ hin zu „Tumbling Dice“ mit tausenden Spielwürfel mit der Stones-Zunge auf den Mega-Screens und „Honky Tonk Women“, wo als comicartige Untermalung eine barbusige Braut gegen den Stones-Gorilla kämpft, weiter über das funkige „Miss You“ bis zu „Brown Sugar“ und „Get Off My Cloud“.
Dazwischen meine absoluten Höhepunkte mit „Symphaty For The Devil“ mit Jagger als schwarz gekleideten Teufel in langer roter Federboa und mit überlangen und vollends mit- und hinreißenden und perfekt gespielten Gitarreneinlagen von Richards und Woods sowie „Midnight Rambler“, ebenso in überlanger Version, als Blues-Jam-Session, hin zu und aus ihren musikalischen Wurzeln, gemeinsam mit dem ebenbürtigen Gitarren-Virtousen Mick Taylor. Diese Session war musikalisch die allerbeste jemals gehörte Version dieses Titels, grandios, zum niederknien, niedertanzen.
Auch hin zu den Wurzeln dann „You Got The Silver“, nahezu unplugged gespielt von Richards und Woods gemeinsam. Blusiger und purer nur mit Gitarre und Gesang geht’s nicht mehr. Als weitere Höhepunkte „Gimme Shelter“, mit einem beeindruckenden Duett der stimmgewaltigen Lisa Fisher und Jagger, natürlich „Jumpin’ Jack Flash“ („She takes me upstairs for a ride...“) und schließlich endlich auch „You Can’t Always Get What You Want
, But If You Try Sometimes, You Might Get What You Need“, meine eigene Lebenshymne.

Authentische Lebensphilosophie
Gänsehaut, feuchte Augen beim letzten gemeinsamen Herauskommen dieser vier unsterblichen Rock-Dinosaurier. Musikgeschichte, historische Momente, live. Unumstritten und konkurrenzlos sind Mick und Keith und Ron und Charlie die beste Rock’n Roll-Band der Welt. Seit über 50 Jahre arbeiten sie daran und leben dabei den Rock’n Roll als kompromisslose Lebensphilosophie und Haltung.
Dazu gehört auch mit knapp 70 betrunken auf eine Palme zu klettern und dann runter zu fallen und sich dabei wie ein Kind nicht ernsthaft zu verletzen. Musik und Show und Geld und Rauschmittel und Frauen und viel Geld als unverzichtbare Lebens-Elixiere für alterslose echte schöne Männer. Pur, intensiv, leibhaftig, vollendet. Auf immer und ewig.

Links

cece, Economy Ausgabe 999999, 20.06.2014