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23. April 2024

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Neues Syntheseverfahren ersetzt Erdöl mit billigen Abfallstoffen

Neues Syntheseverfahren ersetzt Erdöl mit billigen AbfallstoffenTU Wien

Die TU-Wien entwickelt ein neues Syntheseverfahren zur Herstellung von Chemikalien aus billigen Abfallstoffen und nicht mehr aus Erdöl.

Lävulinsäure fällt als Nebenprodukt in der Zuckerindustrie an, etwa eine halbe Million Tonnen pro Jahr. Nur ein geringer Anteil dieser Menge wird derzeit weiterverwertet. In der Forschungsgruppe von Marko Mihovilovic an der TU Wien wurde nun eine Methode entwickelt, diese Säure mit Hilfe von Bakterien zum wertvollen Rohstoff zu machen. Durch dieses neuentwickelte biokatalytisches Verfahren wird Lävulinsäure zu wichtigen Grundchemikalien weiterverarbeit, die derzeit noch aus Erdöl synthetisiert werden.

Vom Abfallstoff zur wertvollen Chemikalie
Drei bis fünf Euro pro Kilo kostet Lävulinsäure heute, und dieser Preis ließe sich bei größeren wirtschaftlichem Interesse noch senken. Der Weg von der billigen Lävulinsäure zum wertvollen Endprodukt lässt sich in mehreren Schritten zurücklegen. „Entscheidend ist, einen Weg zu finden, aus Lävulinsäure die Plattformchemikalie 3-HPA zu gewinnen“, erklärt Michael Fink vom Institut für Angewandte Synthesechemie der TU Wien.
Die Weiterverarbeitung von 3-HPA (3-Hydroxypropionsäure) zu Grundchemikalien ist bereits bekannt. „Man erzeugt daraus beispielsweise Natriumpolyacrylat, das für Babywindeln oder auch für Verbandsmaterial eingesetzt wird“, sagt Fink. In früheren Versuchen aus Lävulinsäure bzw. aus deren Derivaten 3-HPA zu gewinnen war das nur mit großem Aufwand möglich, etwa mit erhöhten Temperaturen und dem Einsatz von 90%igem Wasserstoffperoxid – was wiederum eine sehr korrosive, hochexplosive Substanz ist, die auch als Raketentreibstoff verwendet wird.

Bakterien statt Raketentreibstoff
An der TU Wien wählte man einen völlig anderen Weg indem zunächst eine Reihe von Enzymen identifiziert wurden die bei der Verarbeitung von Lävulinsäurederivaten hilfreich sein könnten. Dann brachte man E.coli-Bakterien dazu, diese Enzyme zu produzieren. „Wenn die Bakterien die in Frage kommenden Enzyme produzieren, kann man direkt im Bioreaktor ausprobieren, welche für unseren gewünschten Prozess am besten geeignet sind“, so Fink weiter.
Unter normalen atmosphärischen Bedingungen und ganz ohne toxische oder explosive Substanzen kann man dann die E.coli-Bakterien zur Herstellung wertvoller Stoffe verwenden, entweder im Einsatz direkt im Bioreaktor oder man lässt sie in einer Bakterienkultur zunächst das Enzym erzeugen und verwendet dieses dann zur Produktion von Ethyl-3-HPA, einer Substanz, die problemlos in 3-HPA umgewandelt werden kann.

Nächster Schritt: technische Anwendung
„Beides funktioniert, beides hat Vor- und Nachteile“, erläutert Michael Fink. Verwendet man lebende Bakterien, bekommt man einen ständigen Nachschub der nötigen Enzyme, allerdings besteht dann die Gefahr, dass die Bakterienkultur irgendwann nicht mehr in ausreichendem Maß weiter wächst oder gar stirbt. Das Isolieren des Enzyms ist ein zusätzlicher Arbeitsschritt, macht das Verfahren danach aber einfacher.
Mehrere natürlich vorkommende sowie bereits artifiziell weiterentwickelte Enzyme wurden untersucht, um einen geeigneten Kandidaten zu finden. „Die Ergebnisse sind sehr vielversprechend“, ergänzt Fink. „Allerdings muss das Verfahren erst auf eine großtechnische Dimension skaliert werden. Die Mengen, die man in solchen Versuchen im Labor herstellt, sind natürlich noch gering. Wir erwarten aber keine gröberen Schwierigkeiten bei der Entwicklung eines solchen Prozesses“, so Fink abschliessend.

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red/cc, Economy Ausgabe 999999, 25.02.2015