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19. März 2024

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Digitale Bildung für besondere Zielgruppen

Digitale Bildung für besondere Zielgruppen© piqs.de/pedro ribeiro simes

Die TU Wien koordiniert ein spezielles Bildungsprojekt, wo primär Kindern und Jugendlichen in Roma-Gemeinden der Umgang mit digitalen Geräten spielerisch vermittelt wird.

Noch vor wenigen Jahrzehnten galt der Umgang mit Computern als technisches Spezialwissen. Heute gehört digitale Kompetenz zu den grundlegenden Kulturtechniken, ähnlich wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Um sich in der modernen Arbeitswelt zurechtzufinden oder sich etwaig auch als vernetzter Teil der (sozial-medialen) Gesellschaft zu fühlen, erhalten digitale Kompetenzen zunehmende Relevanz.
Speziell Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Schichten haben es aber oft schwer, diese digitalen Grundfähigkeiten zu erwerben. Die TU Wien koordiniert nun das Erasmus-Projekt „Head in the Clouds: Digital Learning to Overcome School Failure“, das sich insbesondere an Gemeinden mit Roma-Bevölkerung richtet.
Gemeinsam mit sechs Partnern aus fünf Ländern werden Materialien und Methoden für einen alternativen, von Neugier getriebenen Unterricht entwickelt, um Kinder spielerisch an den Umgang mit Smartphone, Tablet und Computer heranzuführen. Sie sollen auf ihrem Bildungsweg unterstützt werden, die Anzahl der Schulabbrüche soll sinken. Das Projekt läuft noch bis zum Sommer aus, die Projektpartner ziehen nun eine erste Bilanz.

Welttag der Roma am 8. April
„Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Gruppen, Familien mit Migrationshintergrund, Geflüchtete oder Angehörige von Minderheiten wie etwa den Roma haben oft kaum Zugang zu digitalen Geräten und können diese wichtigen digitalen Kompetenzen kaum erlernen“, sagt Niina Novak vom Institut für Information Systems Engineering der TU Wien, die das Bildungsprojekt koordiniert. „Wir arbeiten in unserem Projekt speziell mit Partnern aus Regionen zusammen, in denen der Anteil an Roma hoch ist, etwa in der Slowakei, im Kosovo und in Rumänien.“
Zehn bis zwölf Millionen Roma leben in Europa, davon rund sechs Millionen in der EU. Sie bilden damit Europas größte ethnische Minderheit. „Noch immer haben viele von ihnen mit Ausgrenzung zu kämpfen“, sagt Niina Novak. „Dem begegnet man am besten durch mehr Bildung – und Bildung vermittelt man heute am besten mit digitalen Medien.“

Themenboxen für Kinder und Jugendliche
Die Grundidee des Bildungsprojekts ist es, Kinder und Jugendliche zum selbstbestimmten Lernen zu animieren. Dafür wurden sogenannte „SOLE-Boxen“ (Self-Organized Learning Environments) entwickelt. Die Boxen beinhalten digitale Geräte und Lehrmaterialien, die Kinder und Jugendliche animieren sollen, von sich aus auf eine bildungsfördernde Entdeckungsreise zu gehen. Sie widmen sich dabei unterschiedlichen Themengebieten, von Videotechnik, Informationstechnologie und Programmierung über Englisch bis hin zu Umwelt und Alltagsherausforderungen. Zu allen Themen und zur Ansprache unterschiedliche Altersgruppen gibt es Aufgaben mit entsprechend unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Jede Box steht jeweils zwei Monate lang in Schulbetreuungszentren der Partnereinrichtungen zur Verfügung und wird im Anschluss daran evaluiert.
Bei zwei Projekten werden etwa sogenannte Raspberry PIs als Mini-Computer eingesetzt, um ein Basisverständnis über Computer, Office Softwareprogramme und Internetdienste zu vermitteln. Der nächste Schritt ist das Erlernen der einfachen grafischen Programmiersprache Scratch. Damit soll gelingen, erste Programme und Animationen zu entwickeln. Auch LEGO-Roboter oder die Online-Spielewelt Minecraft werden spielerisch eingesetzt, um digitale Kompetenzen zu stärken.
„Diese Boxen sollen natürlich zunächst Wissen im IT-Bereich vermitteln. Aber darüber hinaus sollen sie den Kindern auch zeigen, wie man Computer und Internet auch in allen anderen Wissensbereichen einsetzen kann. Und gleichzeitig werden Teamfähigkeit und Sozialkompetenz geschult“, erläutert Novak. „Das Feedback von Kindern, Jugendlichen und Pädagogen ist durchgehend positiv.“ Aufgrund dieses Erfolgs ist nun auch bereits ein Nachfolgeprojekt in Planung. „Head in the Clouds“ soll keine Alternative zu herkömmlichem Unterricht sein, sondern eine Erweiterung, die neue Möglichkeiten eröffnet.

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red/cc, Economy Ausgabe Webartikel, 13.04.2018